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OECD-Studie: Empfehlungen für einen erfolgreichen Neuanfang im Herkunftsland

Die Frage, wie Migrantinnen und Migranten sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können und welche Voraussetzungen für eine dauerhafte Reintegration erfüllt sein müssen, ist in vielen Aufnahmeländern ein wichtiges Thema. Wie die Reintegration von Rückkehrern entwicklungsförderlich in Wirkung gebracht werden kann, ist darüber hinaus eine Fragestellung, die für den Erfolg und die Legitimation von Reintegrationsprogrammen von besonderer Bedeutung ist.

Die Gründe für eine Rückkehr sind vielfältig: Manchmal entscheiden sich die Personen selbst dafür, nur eine bestimmte Zeit im Gastland zu bleiben und brauchen dann Unterstützung bei ihrer Rückkehr. In anderen Fällen zwingen die Umstände zur Rückkehr, zum Beispiel weil Migrantinnen und Migranten keinen legalen Aufenthaltsstatus (mehr) haben. Deshalb haben die meisten OECD-Staaten im Rahmen ihres Migrationsmanagements spezielle Programme aufgelegt, mit denen sie die freiwillige Rückkehr und die Reintegration im Herkunftsland fördern. Zu Umfang, Aufbau und Zielrichtung dieser Programme hat die OECD, unterstützt durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), eine Studie erstellt. Zielsetzung war es hierbei, neben einer Bestandsaufnahme auch Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Programmen zur freiwilligen Rückkehr und Reintegration zu formulieren, damit für Rückkehrer eine Zukunftsperspektive vor Ort entsteht und Reintegration entwicklungsförderlich und nachhaltig eingebettet werden kann.

Die Studie zeigt, dass solche Programme in den vergangenen Jahren in den meisten OECD-Staaten weiterentwickelt und deutlich ausgeweitet wurden. Früher beschränkte sich die Unterstützung in der Regel auf Reisekosten und etwas Startgeld. Inzwischen gehört in allen untersuchten Staaten umfangreichere Reintegrationsunterstützung dazu. Für solche Programme sprechen humanitäre, aber auch finanzielle Gründe: Die Menschen erhalten einerseits eine reale Zukunftsperspektive, gleichzeitig muss vom persönlich belastenden und für das Gastland teuren Instrument der Rückführung weniger Gebrauch gemacht werden. Ein weiterer Grund ist, dass Rückführungen in der Öffentlichkeit häufig kontrovers diskutiert werden und als wenig würdevolle Art der Rückkehr gelten.

Demgegenüber setzen Rückkehr- und Reintegrationsprogramme auf Freiwilligkeit und positive Ansätze. Sie sollen die Menschen dabei unterstützen, sich in ihrem Herkunftsland wieder zurechtzufinden und ihre wirtschaftliche und soziale Existenz auf einer nachhaltigen Grundlage wieder aufzubauen. Das geschieht zum Beispiel durch Fortbildungen, Berufsberatung, Unterstützung bei der Existenzgründung, Hilfen bei der Wohnungssuche oder auch Angeboten psychosozialer Unterstützung. Auf Grundlage ihrer Untersuchung spricht die Studie eine Reihe von Empfehlungen für deren entwicklungsorientierte Weiterentwicklung aus:

1.    Die Möglichkeit zur Rückkehr sichtbarer machen:
Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie Unterstützung für eine Rückkehr erhalten können oder sie kennen die Angebote und Möglichkeiten nicht im Einzelnen, die sich daraus ergeben. Gezielt Informationen über verschiedene Kanäle zur Verfügung zu stellen, ist deshalb ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Migrationspraxis. Dabei sollte laut Studie neben der zielgruppenorientierten Aufbereitung der Informationen besonders darauf geachtet werden, die jeweiligen Personengruppen im richtigen Augenblick anzusprechen, um einen Rückkehrentschluss positiv zu unterstützen.

2.    Die Rückkehr stärker als annehmbare Option präsentieren:
Viele Migrantinnen und Migranten erachten eine Rückkehr zunächst nicht als ernstzunehmende Option, weil sie sich dadurch als gescheitert betrachten und befürchten, die Erwartungshaltung ihrer Gemeinschaft nicht erfüllt zu haben. Deshalb ist es wichtig, ihnen Informationen zur Verfügung zu stellen, die nicht nur für eine Rückkehr als annehmbares Szenario werben, sondern gleichzeitig Möglichkeiten für die Zeit danach aufzeigen und konkrete Hilfen beschreiben. Ziel ist es, das Stigma des Versagens zu beseitigen und durch die Vorstellung neuer Chancen und höherer Selbstbestimmung zu ersetzen. Je konkreter das Bild von der Zukunft im Herkunftsland gezeichnet wird, desto förderlicher ist dies für den späteren Ablauf. Inzwischen ist es bekannt, dass Menschen, die ihren Reintegrationsprozess bereits im Zielland begonnen und geplant haben, den Sprung zurück in ein neues Leben im Herkunftsland leichter schaffen. Als hilfreich haben sich auch Erfolgsgeschichten von bereits Zurückgekehrten oder Videokonferenzen mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern vor Ort erwiesen. Um Verbindungen zu solchen Personen herzustellen, ist allerdings ein systematischer Aufbau von Kontakten in die Herkunftsländer nötig – sowohl zu respektierten Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, als auch zu Rückkehrerinnen und Rückkehrern selbst.

3.    Reintegrationsunterstützung stärker an die individuellen Bedürfnisse anpassen:
Bei der Reintegrationsunterstützung sollten die individuellen Bedürfnisse von Rückkehrenden Priorität haben. Deshalb sollte stärker von psychosozialer Unterstützung vor und nach der Rückkehr Gebrauch gemacht werden, die direkt auf die jeweilige Person oder Personengruppe ausgerichtet ist. Außerdem sollten nicht Fördersummen im Vordergrund stehen, sondern die für eine nachhaltige Rückkehr tatsächlich benötigte Unterstützung. Die Programme sollten zudem eine gewisse Flexibilität aufweisen, damit sie beispielsweise auch den größeren Familienzusammenhang berücksichtigen können, der für die dauerhafte Reintegration eine wichtige Rolle spielt. Bei schwierigen Begleitumständen einer Rückkehr sollten die Unterstützungsleistungen dann auch positiv angepasst werden können, um der jeweils besonderen Lage Rechnung zu tragen. Das bedeutet insgesamt: Umfang und Zuschnitt der Programme sollten so genau wie möglich auf die potenzielle Zielgruppe zugeschnitten werden.

4.    Koordination und Abstimmung verbessern:
An Reintegrationsprogrammen sind viele unterschiedliche Akteurinnen und Akteure über Landesgrenzen und zum Teil über Kontinente hinweg beteiligt: Partnerinnen und Partner, die sich auf dem Arbeitsmarkt vor Ort auskennen, vertraut sind mit nationalen Gesetzen, Unterstützung bei einer Firmengründung bieten oder Businesspläne entwickeln können. Benötigt werden auch Beraterinnen und Berater mit spezifischen sozialen Kompetenzen, etwa um Menschen mit Behinderungen sowie Traumatisierte, Kinder oder Ältere zu begleiten. Sowohl im Gast- als auch im Herkunftsland müssen diverse Institutionen und Organisationen beteiligt sein, um alle Schritte der Rückkehr und Reintegration abzudecken und zu begleiten. Diese Vielfalt der Akteurinnen und Akteure erschwert jedoch die Kontrolle und Koordination des Prozesses. Dadurch besteht einerseits die Gefahr von überlappenden Zuständigkeiten und andererseits von Doppelarbeit, die den Migrantinnen und Migranten zusätzliche Schwierigkeiten bereiten können. Mit Hilfe von Plattformen sollte die Kommunikation zwischen allen beteiligten Stellen und Personen erleichtert werden.

5.    Das Herkunftsland unterstützen:
 Nachhaltige Reintegration benötigt die positive Selbstverpflichtung der Herkunftsländer gegenüber Rückkehrern – aber ebenso die Unterstützung von Strukturen und Kapazitäten, um es den Herkunftsländern zu ermöglichen, Reintegration zu verwirklichen. Deshalb empfiehlt es sich, entsprechende Initiativen vor Ort zu initiieren und zu fördern, sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene. Solche Initiativen begleiten die Rückkehrerinnen und Rückkehrer dann über diverse Hilfen und Dienstleistungen auf ihrem Weg in ein neues Leben. Im günstigsten Fall sind klar ausgewiesene Stellen vor Ort dafür zuständig. Falls das – aus bestimmten Gründen – nicht möglich ist, können die Gebernationen Verbindungsbüros vor Ort aufbauen. Diese sollen dafür sorgen, dass die Rückkehrerinnen und Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen und die ihnen in Aussicht gestellt wurde, um sich dauerhaft wieder in ihrem Herkunftsland zu etablieren.  

6.    Wirkungsnachweise verbessern:
Ob und welche Rückkehr- und Reintegrationsprogramme den erhofften Erfolg zeigen, lässt sich mit den bisherigen Evaluierungen und Studien nicht zweifelsfrei beantworten. Bekannt ist, dass Rückkehr- und Reintegrationsunterstützung kein Auslöser für Migrationsentscheidungen sind. Ansonsten aber gehen die Erkenntnisse noch nicht weit genug über Einzelfallanalysen hinaus, um daraus allgemeinere Erkenntnisse ziehen zu können. Für die weitere Beurteilung der Zusammenhänge und Wirkungsweisen von Programmen zur Rückkehr und Reintegration braucht es noch umfassendere Evaluierungen, auch von externen Stellen. Dabei sollten, so die Empfehlung, Fortschritte bei der Integration nicht nach absoluten Kriterien gemessen werden, sondern an den Schwierigkeiten, die eine Person bei der Rückkehr vorfand und zu meistern hatte. Entscheidend ist auch, den Verlauf der Reintegration über längere Zeit und über die Förderdauer hinaus zu verfolgen. Erst dann lässt sich ein Integrationserfolg mit Sicherheit feststellen.  

Insgesamt hält die OECD-Studie fest, dass solche Programme nur funktionieren, wenn Rückkehrwilligen mehr als nur Geld geboten wird und wenn die Arbeit aller Beteiligten ineinandergreift. Erst dann lässt sich der Rückkehrprozess erfolgreich, nachhaltig und menschenwürdig gestalten.